Where is the Computer? (in German)
Remscheider General Anzeiger, 8/96 PDF Prof. Dr. Mihai Nadin Gastbeitrag in: Remscheider General-Anzeiger, 24.8.1996 Zahlen sind gewöhnlich irrefü hrend. Keiner zweifelt daran, daß noch mehr Computer in die Haushalte Einzug halten werden! Unter der Voraussetzung aktueller Wachstumsraten des Internets dü rfte im Jahr 2020 die ganze Bevölkerung der Welt dabei sein (denken Sie bitte nicht […]
Remscheider General Anzeiger, 8/96
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Prof. Dr. Mihai Nadin Gastbeitrag in: Remscheider General-Anzeiger, 24.8.1996
Zahlen sind gewöhnlich irrefü hrend. Keiner zweifelt daran, daß noch mehr Computer in die Haushalte Einzug halten werden! Unter der Voraussetzung aktueller Wachstumsraten des Internets dü rfte im Jahr 2020 die ganze Bevölkerung der Welt dabei sein (denken Sie bitte nicht an “Verkehr” auf einer solchen Datenautobahn, falls diese Prophezeiung stimmen sollte!). Es wird erwartet, daß wenigsten 1 Milliarde CD-ROM Spieler bis am Ende des Jahrhunderts im Einsatz sein werden. Kann man unter diesen Voraussetzungen sich ein Bild von der Zukunft machen, in dem die Omnipräsenz der Maschinen bezweifelt wird?
Computer im Haushalt, Internet, CD-ROM, Interaktivität, digitales Video, Spracherkennung, und was nicht alles, trotzdem die viel interessantere Entwicklung zeigt sich momentan darin, das Computer verschwinden. Anders formuliert: das Ziel vieler Forschungseinrichtungen und vieler Firmen besteht darin, einen unsichtbaren Computer zu schaffen. Aber dazu erstmals eine Erklärung: Wir sind alle mit dem unsichtbaren Computer vertraut, auch wenn wir ü ber diesen nicht zu viel nachdenken. Schauen Sie auf Ihre digitale Uhr (die Batterienhersteller können nur dankbar sein, daß es diese Uhren gibt!). Betrachten Sie sich Ihr Auto, Ihr Mikrowellenherd, Ihre Kaffeemaschine, Ihr Telephon…Wo ist der Computer?
Wenn Sie den Computer nicht sehen, dann nur, weil dieser in das Produkt integriert wurde und nicht deshalb, weil er nicht da ist. Und wenn Sie es nicht als Computer ansehen, dann deshalb, weil diejenigen, die solch ein Produkt gestalten, den Computer als Mittel zum Zweck verstehen und nicht als Zweck in sich. Fü r mich bedeutet die Zukunft des Computers nicht mehr und nicht weniger als ihr Verschwinden aus unserm tägliches Leben . “Was?”, höre ich bereits jetzt schon die Frage. “Wohin Sie auch gehen, zur Bank, zum Bahnhof, ins Geschäft oder eine öffentliche Einrichtung, das erste, was Sie sehen werden, ist stets ein Computer. Mehr und mehr von ihnen. Und Sie sprechen von ihrem verschwinden?”
Um solche Fragen zu beantworten, muß ich erklären, daß Computation als Ressource verstanden werden muß, und nicht bloß als Anwendungen wie Textverarbeitung, Desktop Publishing, Datenbankverwaltung, usw. (fü r die wir gegenwärtig, wie jeder weißt, immer mehr Geld ausgeben). Computation steigert unsere Produktivität, indem sie intellektuelle Fähigkeiten unterstü tzt und Handlungen automatisiert, fü r welche wir viel Zeit brauchen und eine ganze Menge kognitiver Ressourcen benötigen (Gedächtnis, Assoziationsvermögen, Entscheidungsfähigkeit u. ä). Vor weniger als ein Jahrhundert gab es in England einen Beruf, der Computer genannt wurde. Tausende als Computer angestellte Menschen waren mit der Berechnung von Sternenbahnen beschäftigt. Heute ist diese Tätigkeit den digitalen Maschinen voll und ganz ü bertragen worden. Hierzu werden keine riesigen Boxen und große Monitore mehr benötigt, vielmehr basiert die Tätigkeit auf den intelligenten Einsatz von menschlichen Erfahrungen.. Daten werden gesammelt und verarbeitet und in jedem Format verfü gbar gemacht, die unseren Bedü rfnissen entsprechen: auf Papier, auf Film und Video, als Zahlen, Diagramme oder in Form von Anweisungen, die benötigt werden, um Raketen mit Satelliten abzuschießen. “Was hat das mit unserem Leben zu tun? Mit unserem Zuhause? Warum brauchen wir ü berhaupt Satelliten?”
Erstens, muß keiner von uns mehr die Leistung des unendlichen Rechnens ausü ben. Zweitens, durch die Leistung digitaler Maschinen wird die Zeit zum Berechnen von Sternenbahnen verkü rzt. Drittens, das Wissen, das daraus resultiert, kommt uns allen zugute. Beispiel: Wenn Sie ein neues Auto mit integrierter, intelligenter Orientierung kaufen, so haben Sie die Möglichkeit, mittels eines GPS Moduls Informationen von einem Satelliten zu empfangen, die ihnen helfen festzustellen, wo sie sich gerade auf Ihrem Fahrrad, in Ihrem Auto, auf Ihrem Boot oder in Ihrem Flugzeug befinden. Dabei kommt Ihnen der unsichtbare Computer zur Hilfe, denn alle Funktionen der Orientierung sind integriert. Daten werden ständig erneut, weil sie sich halt bewegen, und weil die Welt sich ändert. Die Kalkulationen der ehemaligen menschlichen Computer hätten zur Erfü llung der Orientierungsbedü rfnissen nicht gereicht. Alles, was sie zu tun haben, wird durch einfache Fragen formuliert, und hoffentlich schon bald in der Sprache nicht mehr durch die Vermittlung einer Tastatur: Wie komme ich von meinen Haus im Bergischen Land zur Ferienwohnung meines Freundes in der Provence in Frankreich, oder in Wales, oder in Chile? Wie weit ich mich befinde von wo, wie weit bis zu einem Camping? Welche Ausstattung erwartet mich da? Wo finde ich einen Arzt? Darf ich hier Angeln?
Die Möglichkeit, alle Funktionen eines Haushaltes zu integrieren, oder eines gesamten Gebäudes (Heizungsanlage, Mü llbeseitigung, Alarmanlage, Radio oder TV) ist nicht länger eine theoretische Aussicht. Firmen entwickeln bereits solche Produkte. Es ist nicht mehr notwendig, Kommandos einzugeben oder auswendig zu lernen, und man braucht sich nicht ständig Gedanken ü ber neue Chips oder Betriebssysteme machen. Natü rlich, arbeiten im Netzwerk und die ständige Ausbreitung der Netzwerke stellt eine neue umfassende Entwicklung in der Integration von Computern in unserem Leben dar. Denken Sie an die ganze Entwicklung, die dazu gefü hrt hat, das die elektrische Energie, die allgegenwärtigste Form der Energie der modernen Gesellschaft geworden ist. Es gab Zeiten, in denen es sich nur sehr wenige Leute erlauben konnten, einen Stromgenerator in ihrem Haus zu haben. Um diesen einzusetzen mußte sich einer, meistens war es jemand vom Hauspersonal, mit der Bedienung auskennen. Ein anderer mußte das Gerät warten und nachrü sten können. Heutzutage bedeutet fü r uns Elektrizität etwa so viel wie einen Schalter umlegen: Licht oder TV anschalten, Backofen heizen etc. Wir nehmen in Anspruch nur das was wir brauchen, mü ssen dafü r nicht die Generatoren und Transformatoren besitzen, und auch nicht diese warten. Aber dafü r gibt es fast keine menschliche Tätigkeit die nicht auf Elektrizität basiert. Durch das Ausbreiten der Netzwerke beginnt die Allgegenwärtigkeit des Computings. Sicher, die Anzahl der digitalen Komponenten im Haushalt wird kontinuierlich steigen: digitale Thermometer, digitale Schaltungen aller Art (Fernsehen, Strom, Wasser, Luftanlage, Wachdienst, usw).
Der größere Anstieg wird jedoch an einer anderen Stelle stattfinden – nämlich der, der digitalen Anwendungen. Vom Satelliten her, können wir Energieverbrauch ü ber längere Zeit steuern . Diese wäre eine auf Makroebene bezogene Anwendung, besonders wichtig fuer Ballungsgebiete, wo wir noch viel mit Umweltverschmutzung zu rechnen haben. Auch die Steuerung des Verkehrs auf dieser Ebene ist viel wirtschaftlicher als auf der mikroebene jeder Stadt, oder eines Stadtviertels. Aber auch etwas einfachere Aufgaben können durch solche integrierte Systeme gelöst werden. Ein durch Sonnenenergie getrieben Rasenmäher, der das Gras schneidet, wenn es an der Zeit ist, kann von einer ökologisch orientierten Firma ferngesteuert werden, die wiederum auf einer Datenbank, die die nötigen Informationen beinhaltet, zurü ckgreifen kann (“… wie kurz möchte der Besitzer das Gras geschnitten haben, was fü r Tiere könnten sich in der Umgebung und im Gras aufhalten, wann ist die beste Tageszeit, um die Nachbarschaft nicht zu stören..” etc.) .Roboter können Aufgaben im Haushalt ü berwachen, inklusive von Reparaturarbeiten an Wänden, die Reinigung des Bodens, sortieren der Kleidung fü r die Waschmaschine und Steuerung der Nutzung ökonomischer Zyklen). Integrierte digitale Funktionen ermöglichen die Überwachung des Kü hlschrankes und auch das Bestellen von Nahrungsmitteln, wenn es gerade notwendig wird (Nur noch 2 Eier vorhanden, oder nur wenige Wurstscheiben, usw.).Sicherlich, falls Sie auf Diät sind wird das Programm keinen Schinken oder nur fettarme Milch nachbestellen . Dies alles scheint fü r viele, die sich gerade einen Rechner gekauft haben (“Man muß halt ein Rechner haben. Die Nachbarn haben auch einen!”) noch sehr weit entfernt zu sein. Zukunftsmusik! Und das ist es auch, da wir uns erst am Anfang befinden, solche und ähnliche Möglichkeiten der Integrierung digitaler Technologien zu testen. Näher liegt das Fernstudium – und hier möchte ich auf unser Projekt “Sophia – Digitale Wissensvermittlung” hinweisen, und auch auf unsere Freunde vom Remscheider Institut fü r Bildung und Kultur, die sich besonders mit Fragen der Kunst beschäftigen. Auf unsere WebSeite – merken Sie sich die Adresse: sophia.uniwuppertal.de- ist es möglich, jede Art des Lehrens und des Lernens von der ganzen Welt zu erlangen. Nicht nur der Zugriff auf Bibliotheken, sondern auch interaktive, multimediale Lernumgebungen, angefangen bei moderner Physik und Genetik, bei Mathematik und Sprachwissenschaften, bis hin zur Installation eines Radios, Gartenpflege, Kochen (Rezepte inklusive!) oder ähnlicher Dinge sollen gewährleistet sein.
Selbstverständlich auch Teletransaktionen sind aktuell; geworden. Wo auch immer praktische Aufgaben wie Banking, Shopping, Auktionen u.ä. durchzufü hren sind, sind digitale Leistungen, vermittelt durch Netzwerke sehr aktuell. Netzwerke ermöglichen uns Funktionen, fü r die wir nur den Zugang zum Netz brauchen, aber nicht unbedingt auch die leistungsfähigen teueren Computer. Darum entstehen heutzutage neue Maschinen, billig und einfach, ohne Betriebssystem, und ohne eigene Software, die eigentlich ein Fenster zum Netz und damit zu Anwendungen öffnen. Das Verschwinden des Computers, integriert in Funktionen an stelle diese vor dem Benutzer zu verbergen , wird Möglich, indem die Technologie endlich reift, und in dem Designer verstehen, daß die Zeit gekommen ist, um schöpferisch das Potential neuer Technologien anzuwenden. Das im Rahmen dieses Prozesses viele neue Firmen entstehen werden darf fuer keinen ein Geheimnis sein. Das mit der allgegenwärtigen Computation ein neues Zeitalter in der Entwicklung der Menschheit begonnen, darf aber auch nicht bezweifelt werden.
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